Mittwoch, 19. September 2012

Das ist jetzt also mein Leben

Diese Woche ist es zwei Monate her und es kommt mir immer noch wie Jahre vor.


Es ist so viel passiert in dieser kurzen Zeit. Es hat sich so vieles geändert, negativ, aber auch positiv. 


Dadurch, dass ich meine Trauer immer und überall zulasse ist es ein wenig leichter geworden damit umzugehen. Aber auch nur ein wenig...


Wenn ich manchmal irgendwo zu Besuch bin und es sitzen Schwangere dabei, die auch das zweite Kind erwarten, von ihren Plänen sprechen und glücklich sind, dann denk mir "Ihr habt es gut. Ihr habt noch Pläne, strahlt vor Euch hin, habt die Hoffnung, dass alles gut gehen wird und ich sitze hier, kenne die Gespräche, das Glücksgefühl, die Aufregung, die Pläne und habe nichts davon erreicht."


Das ist jetzt mein Leben. Eine zerplatzte Seifenblase.


Ich blicke zurück mit Schmerz und Trauer. Habe zwei grauenvolle Tage jedes Jahr, die mich daran erinnern, an diese Hoffnungen, Träume, Pläne, die ich mit meinem Engel begraben musste. Es ist eine ganze Welt, mein ganzes neues Leben, dass ich mit ihm habe gehen lassen.


Ich möchte bei diesen Gesprächen, wenn ich gefragt werde wie viele Kinder ich habe, immer sagen: " Ich habe zwei Kinder. Es ist nicht lange her, dass ich hier so saß wie ihr. Ich war so glücklich. Aber ich durfte es nicht bleiben.... Es war uns nicht gegönnt ein zweites Kind zu haben. Noch nicht." Aber ich schweige.


Ich unterhalte mich anderweitig, überhöre das Meiste von dem was sie sagen, weil ich es nicht hören will. Sie müssen das nicht hören, ich will es nicht aussprechen.
Sie sollen ihr Glück geniessen und ich hoffe weiter, dass bei ihnen alles gut geht.
Verdrängungsmechanismus eben. Funktioniert manchmal sehr gut.


Und dann gibt es Tage wie gestern, wo mich jemand ansprach, mein Großer wäre so toll, wir sollten bald ein Zweites hinterher bekommen. Und ich steh dort erst in Schockstarre und denke "Wenn Du wüsstest..." Und dann MUSS es raus!


Ich bin auf ihn zu und habe es direkt und offen gesagt, dass es erst 8 Wochen her ist, dass wir eigentlich einen zweiten Sohn hätten.
Ich weiß, dass dann das Mitleid kommt und es kam auch.
Es kamen die Entschuldigungen, der Schock, die Trauer.
Dabei konnte der Mann doch auch nichts dafür, er meinte es nur gut und nett und konnte ja nicht ahnen, dass uns dieser schwere Weg auferlegt wurde.


Der größte Schock allerdings war für ihn - so wie für viele andere auch -, dass ich so offen damit umgehe. Das ich es knallhart ausspreche. Und warum sollte ich es nicht? Wenn ein alter Mensch stirbt ist es in aller Munde, wenn ein Baby stirbt wird es totgeschwiegen, dabei gehört doch auch das zum Leben dazu.

Tja und das ist jetzt mein Leben: Schwanken zwischen großem Glück und tiefer Traurigkeit. Wann was überwiegt ist schwer zu sagen.
Geniessen und bereuen. Mut haben und zugleich Angst. Organisiert und total chaotisch. Fassaden aufbauen und sie bei Freunden wieder fallen lassen. Menschen mit anderen Augen sehen, sie verstehen und doch wütend auf sie zu sein. Hoffnung und Leben sehen und doch hoffnungslos sein. Schwangere Freundinnen sehen, sich freuen und doch so absolut neidisch und verletzt sein, dass sie das haben, was ich nicht hab.
Immer noch ICH sein, aber doch ganz anders. Gott verfluchen und trotzdem dankbar sein für das, was er mir gegeben hat. 


Das ist mein neues Leben. Scheisse und trotzdem irgendwie perfekt, so wie es ist. 

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