Mittwoch, 29. August 2012

Atemlos

Vor ein paar Tagen ist mir das passiert, wo vor ich noch am meisten Angst hatte.


Ich bin in eine bekannte Mutter reingelaufen, die fast den gleichen Entbindungstermin hatte und ein gesundes Kind auf die Welt gebracht hat.


Das es irgendwann passieren würde wusste ich.
Aber dass es mir morgens auf dem Weg zum Bäcker passiert, war unerwartet.


Es hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich habe sie mit Kinderwagen gesehen, der Schmerz setzte ein, wie ein Messer in meinem Herzen, ich hab sie nicht angeschaut, sondern bin einfach nur weiter gegangen.


Als ich um die Ecke war blieb ich stehen, atmete tief durch, zählte bis 10 und dachte mir, okay, erledige Deine Sachen, fahr nach Hause und dann kannst Du alles rauslassen.
Doch egal wo ich hinschaute und hinging, es waren überall Kinderwagen mit kleinen Babys. Ich wusste nicht mehr was ich wollte. Ich wusste nicht mehr wohin. Ich stand dort, habe mein Handy rausgeholt und meinen Mann angerufen, habe ihm verwirrt und doch einigermaßen ruhig gesagt, was passiert ist.


Ich habe es bis nach Hause geschafft. Dort saß ich dann im Auto, mit dem Kopf auf dem Lenkrad. Wie lange, weiß ich nicht.
Ich habe geweint bis keine Tränen mehr da waren, geschrien bis ich heiser war.


Und dann hab ich vergessen zu atmen. Ich wusste nicht, dass das möglich ist. Es ging einfach nicht mehr. Mein Körper war taub. Einfach nur taub.
Bisher habe ich so was nie geglaubt, dachte das sei eine Erfindung aus Hollywood-Filmen oder Büchern. Aber so etwas gibt es.
Irgendwann brauchte mein Körper Sauerstoff und ich hatte das Gefühl des Ertrinkens an der Luft. Ich musste atmen. Mein Gehirn hat das wohl einfach so beschlossen. Das Taubheitsgefühl blieb für eine Weile. 


Im Laufe des Tages habe ich einigermaßen funktioniert, weil ich musste. Abends kam der Schmerz wieder.
Ich hab nichts mehr gespürt und doch tat mir alles weh. Das atmen war schwer. Sehr schwer.
In mir herrschte nur eine große Leere. Nichts half. Ich bin dann irgendwann einfach eingeschlafen und am nächsten morgen aufgewacht als hätte ich eine ganze Nacht gesoffen. 


Aber jetzt habe ich auch diese Hürde gemeistert. Wenn ich ihr jetzt begegne, ist es nicht mehr so schlimm.
Der Schmerz ist da, aber er lähmt mich nicht. 


Der Weg, den ich gehen muss ist für Außenstehende sehr schwer nachvollziehbar.
Verstehen können ihn nur Eltern und Mütter, die ihn selber gehen musste.


Deswegen schreibe ich darüber, um Außenstehenden zu erläutern, jedenfalls ein bißchen, wie wir Sternenkind-Eltern uns fühlen.
Viele sind sehr dankbar für die Offenheit, können vieles besser verstehen, sehen uns mit anderen Augen.


Und manche verschließen die Augen davor und wollen das nicht hören, weil es nicht in ihr Weltbild passt. Aber auch das ist verständlich.
Es bringt in vielen Frauen eine Angst ans Tageslicht: Die Angst, dass auch ihnen das passieren könnte und wie es ohne ihr Kind wäre.
Ich nehme ihnen das nicht übel, sie meinen es nicht böse.... 

2 Kommentare:

  1. Und wieder ein Tipp. Du kennst sicherlich das Buch "vier minus drei" von Barbara Pachl-Eberhard. Sie schreibt darin sehr rührend und authentisch über den Tod ihres Mannes und ihrer beiden Kinder. Die Autorin bloggt aber auch. Kannst Du Dir ja gern mal anschauen. http://blog.barbara-pachl-eberhart.at/
    Halt weiter durch!

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  2. kein außenstehender wird verstehen, wie wir uns fühlen, auch wenn wir es ihnen erklären. meinen kleinen mußte ich vor fast drei monaten gehen lassen und viele verstehen nicht, warum ich nur schwarz trage und wenig interesse an meiner umwelt zeige oder jeden tag zum grab fahre. dass andere mütter mit kinderwagen und ihren babies auch noch weh tun, ist noch irgendwie verständlich, aber an den gesichtern sieht man das 'es muß doch auch vorbei gehen'.

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